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wir4kultur | 2023 | Forschungsfelder und Fördertürme II

RP, 01.09.2023, Kamp-Lintfort | Das Höfefestival gastierte am Donnerstag auf dem Nimmendohrshof. /// Foto: Norbert Prümen


Der Nimmendohrshof steht im kulturellen Rampenlicht

Landwirtschaft in Kamp-Lintfort

Kamp-Lintfort · Der Nimmendohrshof in Kamp-Lintfort bot dem Vokalensemble NRW und dem Multiinstrumentalisten Johannes Bär die Bühne. Warum diese besondere Atmosphäre dem Hofkonzert so viel Charme verlieh.

Von Sabine Hannemann

Am Ende gab es keine Sitzplätze mehr. So gut kam das Konzert des Vokalorchesters NRW an, das auf den Nimmendohrshof führte. Die Gastgeber, Agnes Rademaker und Klaus Ernst, zeigten sich über eine derartige Resonanz begeistert. Zum zweiten Mal präsentiert sich der Hof, der seine Wurzeln im 16. Jahrhundert hat, als eine perfekte Bühne für ein unkonventionelles Konzert. Der Verein Kulturprojekte Niederrhein als Veranstalter der Höfekonzerte hatte zu dem Vokalensemble den Multiinstrumentalisten Johannes Bär eingeladen, der bereits bei verschiedenen Veranstaltungen am Niederrhein aufgetreten ist. Das Zusammenspiel von Vokalorchester mit Blechbläser Bär sorgte für spannende musikalische Momente, die durch die Kunst der Improvisation für Furore im Publikum sorgten.

Fünf Männer und sieben Frauen, alle im musikalischen Profibereich tätig, nahmen ihr Publikum mit. „Wir haben uns 2018 gegründet. Wir sind das Orchester, das alle Instrumente in ihren Funktionen stimmlich bedienen kann“, erklärten im RP-Gespräch Judith Simon (36) und Simon Herwig (36). „Wir präsentieren dabei keine klassischen Chorstimmen.“ Beide Musikprofis beschrieben die Kunst der Improvisation. „Wir steigen auf das ein, was passiert. Es ist nicht planbar, sondern wir bewegen uns entlang unseres Konzeptes.“ Kernstück ihres Repertoires sind eigene Kompositionen und Arrangements, die immer auch die Improvisation zulassen und somit für Überraschungen sorgen. Im stimmlichen Ergebnis macht sich mitreißende Atmosphäre breit, wie auch im Publikum zu beobachten war.


Info

Zusätzlicher Termin im Schirrhof

Veranstaltungsreihe Das Höfefestival geht weiter. Zusätzlicher Termin wird am Dienstag 5. September, ab 19.30 Uhr, am Schirrhof sein. Dort findet ein Film-, Musik-, und Debattierabend mit dem ostdeutschen Schlagzeuger Günter „Baby“ Sommer statt. Im Rahmen der Veranstaltung wird sein Dokumentarfilm „Von der Elbe an den Niederrhein“ gezeigt. Der Eintritt ist frei.



Konzertgäste tauchten tief in die Musik, hörten in sich rein. In ihren beiden 45-minütigen Sets gab das Vokalorchester ein beeindruckendes Beispiel, wie das Zusammenspiel von zwölf Stimmen gelingen kann. So sangen sie, rezitierten Passagen aus bekannten Gedichten, die sie in die Musik einwebten. Die Ensemblemitglieder sind im Alter von 26 bis 49 Jahren, leben überwiegend im süddeutschen Raum, treffen sich regelmäßig nicht nur zu Konzerten, sondern auch zu Workshops.

Währenddessen hatte sich die Scheune mit Wohnzimmeratmosphäre und entsprechender Beleuchtung gut gefüllt. Für Gastgeberin und Hofbesitzerin Agnes Rademaker ein spannender Moment. „Man weiß im Vorfeld nie, wie viele Gäste kommen.“ Nach dem Tod der Eltern 1997 hat sie den Hof mit zehn Hektar Land übernommen, saniert und renoviert. Bis 1980 wurde dort noch Landwirtschaft betrieben. „Mit Viehzucht und Ackerbau. Meine Eltern hatten Schweine, Kühe, Pferde und Hühner. Wir haben fast autark gelebt“, erzählt Agnes Rademaker, die auch einen Blick in die bewegte Hofgeschichte gibt. Der Hof ist in vierter Generation in Familienbesitz.

Ihre Mutter, Katharina Teller, bewirtschaftete zusammen mit der Schwester Johanna den Hof, nachdem sechs Brüder entweder im Zweiten Weltkrieg blieben oder durch Krankheit verstarben. In der Nachkriegszeit fand sich durch geschickte Vermittlung ein passender Mann für den Nimmendohrshof, nämlich ihr Vater Karl. „Mein Vater stammte aus Asperden bei Goch“, so Agnes Rademacher, die allerdings ein Lehramtsstudium machte. Ihr familiärer Lebensmittelpunkt liegt in Gießen. Sie pendelt, „weil wir alle den Hof so lieben. Wir kommen, wann immer es passt.“ Mit ihrem Mann und den erwachsenen Kindern, Judith und Manuel, kamen Überlegungen auf, wie Stallungen und weitere Gebäude neben den Mietwohnungen auch für kulturelle Veranstaltungen genutzt werden könnten. „Wir wollten, dass mit verschiedenen Veranstaltungen wieder Leben auf dem Hof einkehrt.“ 2021 stießen sie in der Coronazeit auf das Format der Hofkonzerte, draußen und umsonst. „Wir haben dann ein Konzert in Hoerstgen im Kuhstall von Familie Bird besucht. Schon 2022 fand das erste Konzert statt, und nun das zweite. Für Rüdiger Eichholtz als Organisator, Macher und Ideengeber sind diese Höfe in ihrem kulturellen Dornröschenschlaf Glücksgriffe. Rund wird es dann, wenn sie bespielt werden. „Als ich das Vokalorchester auf der Parkbühne kennenlernte, habe ich gemerkt, wie toll die sind.“